Weniger Neubau im Mietwohnungsbereich - vbw fordert bessere Rahmenbedingungen für das bezahlbare Wohnen
Themen
- Weniger Neubau und Investitionen bei den Wohnungsunternehmen im vbw
- Bessere Wohnraumförderung
- Koalitionsvertrag weckt hohe Erwartungen
- vbw: Befristete EH55-Förderung im Programm „Wohnungsbau BW“ aufnehmen
- Gebäudetyp E rechtlich absichern und analog Hamburg Standard einen BW-Standard einführen
- Paradigmenwechsel beim Klimaschutz im Gebäudesektor wichtig
- Landesbauordnung - vbw fordert Stellplatzschlüssel von 0,0
Die Mitgliedsunternehmen im vbw Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen haben im vergangenen Jahr knapp 4.000 Wohnungen fertiggestellt – hauptsächlich im Mietwohnungsbau. Für die kommenden Jahre weisen die Planungen der gemeinwohlorientierten Wohnungswirtschaft auf deutlich geringere Fertigstellungszahlen hin. Die Bundesregierung sollte daher rasch die vielen positiven Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag umsetzen, fordert der vbw anlässlich seines Verbandstages. Auch das Land müsse darauf aufbauend weitere eigene Akzente setzen, um den bezahlbaren Wohnungsbau zu aktivieren.
Im Jahr 2024 haben die Mitglieder des vbw rund 4.000 Mietwohnungen errichtet und damit etwa 8.500 Menschen ein neues, bezahlbares Zuhause gegeben. Die Wohnungsunternehmen beabsichtigen, in diesem Jahr weitere 2.800 Wohnungen fertigzustellen. Nach derzeitigem Stand planen sie ab 2026 jährlich etwa 2.400 Wohnungen zu bauen. Das bedeutet eine Halbierung der Fertigstellungszahlen der Wohnungswirtschaft seit dem Jahr 2022.
Der vbw hatte vor dieser Entwicklung, die sich durch den Anstieg der Bau- und Finanzierungskosten sowie dem Wegfall der KfW55-Förderung im Jahr 2022 abzeichnete, gewarnt und starke wohnungspolitische Gegenmaßnahmen gefordert.
Rückläufige Baugenehmigungen im Land
Der Negativtrend lässt sich auch in den Zahlen des Statistische Landesamtes ablesen. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 30.627 Wohnungen in Wohngebäuden in Baden-Württemberg fertiggestellt. Das sind 6.620 weniger als im Vorjahr. 10.366 davon entstanden in Ein- oder Zweifamilienhäusern, 19.715 in Mehrfamilienhäusern.
Auch die Baugenehmigungen für Wohnungen sind von 2023 auf 2024 um 27 Prozent gesunken. Insgesamt wurden vergangenes Jahr lediglich 20.550 Wohnungen in Wohngebäuden in Baden-Württemberg genehmigt, in Mehrfamilienhäusern nur 13.356 Wohnungen. Das sind 30 Prozent weniger als im Vorjahr. Im Jahr 2022 lag die Zahl der genehmigten Wohnungen mit 42.136 Wohnungen mehr als doppelt so hoch. Diese Entwicklung zeigt, dass in den kommenden Jahren mit deutlich geringeren Fertigstellungszahlen in Baden-Württemberg zu rechnen sein wird.
„Der Bedarf und die Nachfrage nach Wohnraum sind weiterhin so hoch, dass die Politik sich noch intensiver für bessere Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau einsetzen muss“, fordert daher Dr. Iris Beuerle, Verbandsdirektorin des vbw.
Rückgängige Investitionen
Auch die Investitionen der Wohnungsunternehmen im vbw nehmen ab. Waren es im Jahr 2023 knapp 2,2 Milliarden Euro, wurden im vergangenen Jahr nur 1,85 Milliarden Euro investiert. Eine Milliarde Euro floss in den Neubau, die restlichen Investitionen verteilen sich auf die Instandhaltung mit knapp 500 Mio. Euro und Modernisierung mit rund 300 Mio. Euro.
„Erstmals seit vielen Jahren plant die Wohnungswirtschaft im Jahr 2025 wieder höhere Investitionen in der Instandhaltung und Modernisierung als für den Neubau. Insgesamt sind knapp 1,7 Milliarden Euro eingeplant“, berichtete Beuerle. Das Bauen sei aufgrund weiterhin hoher Baukosten und Finanzierungszinsen für den bezahlbaren Mietwohnungsbau schwer realisierbar geworden. Deswegen werden Neubauvorhaben derzeit nicht umgesetzt.
Wenn sich Spielräume für den Wohnungsbau ergäben, setzten die Unternehmen verstärkt auf serielles oder modulares Bauen, auf eine stärkere Verdichtung mit einer höheren Ausnutzung der Fläche und auf die Inanspruchnahme von Fördermitteln, erklärte die Verbandsdirektorin.
Bedeutung der Förderung steigt
Die Unternehmen bauen aufgrund der hohen Baukosten immer weniger frei finanziert, sondern konzentrieren ihre Neubauvorhaben auf den geförderten Wohnungsbau. Das führt zu Engpässen beim Mittelabruf und zur schnellen Ausschöpfung des Programms.
Für das Jahr 2025 stehen in Baden-Württemberg rund 760 Millionen Euro für die Wohnungsbauförderung zur Verfügung. Darin sind 456 Millionen Euro Bundesmittel enthalten „Die Landesregierung strengt sich sichtlich an. Wirklich ambitioniert und gut wäre es aber, wenn das Land die Bundesmittel in gleicher Höhe aufstockt“, betonte Beuerle. Der vbw fordert außerdem eine Änderung des Förderprogramms. Ergänzend zur Objektförderung ist aus Sicht des vbw eine zielgruppengenaue Subjektförderung notwendig, damit Fehlbelegungen reduziert werden.
Weiterer Mietanstieg – geringe Leerstandquote
Bei den gemeinwohlorientierten Wohnungsunternehmen lagen die Mieten zum Ende des Jahres 2024 nettokalt pro Quadratmeter bei durchschnittlich 7,66 Euro. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies eine durchschnittliche Erhöhung um 33 Cent, also 4,5 Prozent.
Die durchschnittliche Leerstandsquote liegt bei 2,8 Prozent. Das entspricht nahezu einer Vollvermietung.
Koalitionsvertrag weckt hohe Erwartungen
Viele für die gemeinwohlorientierte Wohnungswirtschaft wichtigen politischen Vorgaben und Impulse sind im schwarz-roten Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung niedergeschrieben. So will sie „das Wohnen für alle Menschen bezahlbar, verfügbar und umweltverträglich gestalten“. Aus diesem Grund sollen unter anderem die Investitionen in den sozialen Wohnungsbau schrittweise deutlich erhöht, der soziale Wohnungsbau als wesentlicher Bestandteil der Wohnraumversorgung ausgebaut und die Förderfähigkeit des EH55-Standards zeitlich befristet zur Aktivierung des Bauüberhangs wiederhergestellt werden.
Dass die neue Bundesregierung sich dafür einsetzt, den Wohnungsbau aus den Beihilfevorschriften der Europäischen Union herauszunehmen, könne künftig für höhere Subventionswerte im Wohnungsbau sorgen. Dies entspricht einer Forderung, die der vbw auch in seinem Positionspapier zur Landtagswahl 2026 aufgestellt hat.
Absenkung der Baustandards
Die Bundesregierung will laut Koalitionsvertrag Baustandards vereinfachen und den Gebäudetyp E absichern. „Wir begrüßen, dass diese neue Gebäudekategorie mit abgesenkten Baustandards rechtssicher gemacht wird. Es wird in großem Stil nur dann einfacher und mit alternativen technischen Lösungen gebaut werden, wenn eine rechtliche Verankerung in allen betroffenen Rechtsgebieten folgt – insbesondere auch in zivilrechtlichen Haftungsfragen“, ist Bresinski überzeugt. Das müsse nun in Bund und Land angegangen werden.
Mieter und Mieterinnen dürften keine Sorge haben, dass auch Gebäude mit einfacheren Standards gutes und sicheres Wohnen ermöglichen. Vermieter müssten hingegen sicher sein, nicht verklagt zu werden. Die schwarz-rote Koalition will dies auch damit regeln, dass das Abweichen von den anerkannten Regeln der Technik künftig nicht an sich schon einen Mangel darstellt.
„Das Thema des einfachen Bauens ist uns wichtig. Projekte aus dem „Strategiedialog bezahlbares Wohnen und innovatives Bauen“ des Staatsministeriums sind entsprechend angelegt, um Vereinfachungen im Bauprozess zu erforschen. Dies geschieht teils im Rahmen von Maßnahmen, die einen spezifischen Gebäudetyp E ausmachen. Wohnungsunternehmen aus dem vbw sind an diesen Projekten beteiligt“, erklärte Bresinski.
„Die rechtssichere Ausgestaltung des Gebäudetyp E und das Abweichen von den anerkannten Regeln der Technik sind zwei Vorhaben der Bundesregierung, die das Potenzial in sich tragen, wieder einfacheren und damit kostengünstigeren Geschosswohnungsbau möglich zu machen“, so der vbw-Präsident.
Hamburg hat vorgemacht, dass das möglich ist und hat dazu den „Hamburg-Standard“ entwickelt. Die Kostentreiber des Bauens werden im Strategiedialog eruiert. Die Landesregierung könnte analog dem Hamburg-Standard auch einen rechtssicheren Baden-Württemberg-Standard ermöglichen, um einfacher, schneller und günstiger bauen zu können, fordert Beuerle.
Paradigmenwechsel beim Klimaschutz im Gebäudesektor wichtig
Die Wohnungswirtschaft fordert schon seit langer Zeit, dass der Klimaschutz im Gebäudesektor effizienter gestaltet werden muss. Die Bundesregierung setzt nun einen Paradigmenwechsel in diesem Bereich um. Sie wird die CO2-Vermeidung zur zentralen Steuerungsgröße machen und bewegt sich damit weg vom teuren Effizienzweg hin zu einem Emissionsminderungspfad, dessen Klimaziele pragmatischer und kostengünstiger erreichbar sind. Statt immer mehr auf Effizienz zu setzen, brauchen wir Maßnahmen, die noch schneller den CO2-Ausstoß von Gebäuden reduzieren.
„Dieser Paradigmenwechsel ist von zentraler Bedeutung für die Wohnungswirtschaft, aber auch für den Klimaschutz. Als Bestandshalter können wir unsere Investitionen nun gezielt auf die Klimaneutralität der Mietgebäude konzentrieren und somit schneller mehr Gebäude umrüsten“, ist Bresinski überzeugt. Der Verband sieht so die Chance gegeben, im Gebäudebereich in kürzerer Zeit mehr CO2 einzusparen. „Das ist in Baden-Württemberg besonders wichtig, da das Land bereits 2040 klimaneutral sein will und einige Städte sogar noch ambitioniertere Ziele ausgerufen haben.
Landesbauordnung
Die Novellierung der Landesbauordnung hat zwar Erleichterungen für das bezahlbare Bauen gebracht, Potenziale bleiben aber. Um Kosten zu senken, sollte künftig auch der Stellplatzschlüssel überarbeitet und mit Blick auf die konkreten Bedürfnisse vor Ort ausgelegt werden. „Wir fordern, einen Stellplatzschlüssel von 0,0 in der Landesbauordnung zu verankern. Sofern eine Kommune einen höheren Stellplatzschlüssel möchte, muss dies in kommunalen Satzungen festgelegt und begründet werden. Hohe Kosten für Tiefgaragen führen auch zu höheren Mietpreisen“, so Bresinski.
Der Verband fordert außerdem, dass Gutachten von öffentlich bestellten und vereidigten Gutachtern verbindlich gelten müssen und nicht von einer Interpretation der Baurechtsbehörden abhängig sein sollte. Zudem sei das Prüfstatikverfahren zu komplex und muss vereinfacht werden. „Angesichts der Herausforderungen am Wohnungsmarkt ist es insgesamt wichtig, dass politisch und auf Ebene der Verwaltung eine Ermöglichungskultur geschaffen wird, die vor mutigen Entscheidungen nicht zurückschreckt und den Wohnungsbau voranbringt“, so Bresinski.
Der vbw hat mit Blick auf die Landtagswahl 2026 ein Forderungspapier aufgestellt, das wesentliche wohnungspolitische Hinweise für mehr bezahlbaren Wohnraum im Land gibt. Das Papier finden Sie hier.